Reformation und Gegenreformation in Ostmitteleuropa

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Dass die Reformation sich nicht nur in Deutschland abgespielt hat, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Reformationsgeschichten berichten von den Entwicklungen in Frankreich, England, der Schweiz, den Niederlanden, Italien, Skandinavien, vielleicht Nordamerika und meistens auch ein kleines bisschen in Osteuropa. In dieser Vorlesung machen wir aus dem kleinen bisschen einmal die Hauptsache. Nach einem Überblick über die Anfänge der reformatorischen Bewegung wendet sich die Vorlesung der Region zu, in der diese ihre wohl bunteste Ausprägung erfuhr.

In Osteuropa hatte die katholische Kirche sich schon vor der Reformation in stärkerem Maß als im Westen mit anderen Konfessionen und Religionen auseinandersetzen müssen: mit der orthodoxen Kirche, mit dem Judentum und mit dem Islam. In der frühen Neuzeit stand diese Region dann unter dem schwankenden Einfluss von Großmächten unterschiedlicher Konfession: der islamischen Türken, der katholischen Habsburger, der protestantischen Schweden und der orthodoxen Russen. Wo deren Einflüsse sich einigermaßen die Waage hielten oder sich ihnen starke örtliche Stände entgegenstellten, hatten die verschiedenen protestantischen Bekenntnisse - zumindest zeitweise - große Chancen. In die Regionen, in die die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters gedrungen war, gelangte schnell das Luthertum und trug zum Beispiel im Baltikum dazu bei, die Sprache kleinerer Ethnien durch ihre Verschriftlichung zu bewahren. In Polen wollte der Adel sich nicht durch religiöse Kämpfe aufreiben, was zu einer einzigartigen Vielfalt von Konfessionen führte. Nicht nur Luthertum und Calvinismus verbreiteten sich in Polen und Litauen, sondern auch Hussiten, Antitrinitarier und Täufer fanden dort zeitweise eine sichere Heimstatt. In Böhmen gab es mit den Hussiten schon vor der Reformation eine andere Konfession als die katholische, in der dann protestantische Ideen zum Teil bereitwillig aufgenommen wurden. Der Versuch der habsburgischen Landesherren, diese Bewegung zu unterdrücken, löste 1618 den Dreißigjährigen Krieg aus, der Auswirkungen in ganz Europa hatte. In Ungarn und Siebenbürgen konnten sich verschiedene protestantische Konfessionen paradoxerweise gerade deshalb weitgehend ungestört entwickeln, weil große Teile dieser Länder unter der Herrschaft der Türken standen. Die führenden Vertreter dieser Konfessionen standen damals in intensivem Kontakt mit ihren Glaubensbrüdern in Westeuropa. Erst als die Türken nach 1683 aus Ungarn verdrängt wurden, konnten die Rekatholisierungsversuche der Habsburger dort in großem Stil einsetzen, waren dann allerdings auch erfolgreich.

Der katholischen Gegenreformation mit den Jesuiten an der Spitze gelang es schließlich, den Protestantismus weitgehend wieder aus Ostmitteleuropa zu verdrängen und durch Kirchenunionen sogar Teile der orthodoxen Kirche an die katholische Kirche anzuschließen. Doch haben die reformatorischen Episoden in Polen, Böhmen und Ungarn dazu geführt, dass sich diese Nationen seit dem 19. Jahrhundert, als diese Tugend in Mode kam, für besonders tolerant halten.

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