Der Erste Weltkrieg in Osteuropa

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Der 1. Weltkrieg nahm seinen Ausgang bekanntlich in Osteuropa, mit dem Attentat von Sarajevo, hatte aber nach kurzer Zeit seine wichtigste Front in Frankreich und Belgien. Doch während diese Front verhältnismäßig kurz war und in einem Stellungskrieg erstarrte, an dem auch jahrelange Materialschlachten kaum etwas änderten, waren die Fronten im Osten lang und beweglich.

 PD Dr. Martin Faber

 Deshalb waren mehr Regionen vom Krieg betroffen, und die Zahl der Kriegsgefangenen war auf beiden Seiten sehr hoch. Und nicht nur die militärische, sondern auch die politische Lage änderte sich ständig. Außer den nationalen Bevölkerungen der Großmächte Russland, Deutschland und Österreich-Ungarn lebten hier zahlreiche weitere Völker, teils schon in eigenen Staaten, teils noch als Minderheitsbevölkerungen in den Staaten der Großmächte. Sie wurden nun von den beiden großen Kriegsparteien umworben und hofften deshalb auf die baldige Erfüllung ihrer nationalen Wünsche. Gerade die Deutschen wussten nicht recht, was sie mit den eroberten Gebieten anfangen sollten und errichteten in dem militärischen Besatzungsgebiet “Ober-Ost” ein Kolonialregime, von dem heute manche Forscher behaupten, es sei ein Vorläufer der deutschen Vernichtungspolitik in Osteuropa im 2. Weltkrieg gewesen. Zwei Staaten (Italien und Rumänien) traten in den Krieg gegen die Mittelmächte ein, weil sie hofften, größere Gebiete von Österreich-Ungarn für sich gewinnen zu können. Beide hatten militärisch keinen Erfolg, sondern erst nach dem Krieg bei der Friedenskonferenz. Dagegen errangen die Deutschen und Österreicher an der Ostfront sogar den Sieg, als 1917 das Zarenreich zusammenbrach und sie das neue bolschewistische Regime zu immensen Gebietsverzichten zwingen konnten. Jedoch war ihre Freude von kurzer Dauer, denn mit der Niederlage im Westen gingen Ende 1918 alle Gewinne im Osten wieder verloren, und nach dem russischen mussten auch der deutsche und der österreichische Kaiser abdanken.Bei der Pariser Friedenskonferenz wollten die Westmächte in Osteuropa das Selbstbestimmungsrecht der Völker zur Geltung bringen. Aber sie mussten feststellen, dass die kleinen Nationen dort sich nun untereinander in die Haare gerieten und für ihre Staaten Gebiete forderten, die sich gegenseitig überschnitten. Um die eigenen Ansprüche zu begründen, wurde die Geschichte Osteuropas bis zurück ins Mittelalter aufgerollt. Doch selbst Volksabstimmungen halfen nicht viel, und da die Westmächte auf Osteuropa kaum einen militärischen Zugriff hatten und der neue Sowjetstaat in Russland von der Friedenskonferenz gänzlich ausgeschlossen war, fanden in Osteuropa auch nach 1918 weitere kriegerische Auseinandersetzungen von zum Teil erheblichem Ausmaß statt. So war eigentlich erst 1923 die Nachkriegsordnung dort voll etabliert. Sie stieß allerdings auch danach noch auf viel Unzufriedenheit, so dass hier der Konfliktstoff für künftige Kriege bereits angelegt war. 

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